Zum Verlust des Denkmals in der Dorfstraße 37 am 27. Juni 2020 in Lichtenhagen

Am Abend des 27. Juni 2020 gegen 18:58 Uhr wurde eines der bedeutendsten Denkmale in Lichtenhagen durch Brand infolge eines Blitzeinschlages unwiederbringlich vernichtet.

Bei diesem Gebäude handelte es sich um das älteste noch bewohnte Bauernhaus des 1264 erstmals urkundlich erwähnten Dorfes Lichtenhagen. Es war ein 202 Jahre altes rohrgedecktes Gebäude der ehem. Hofstelle Westendorf. Die jetzige Bewohnerin konnte sich gerade noch rechtzeitig ins Freie retten. Besonders tragisch ist, dass sich dieses Gebäude nach jüngst erfolgter beispielgebender Sanierung in einem baulich exzellenten Zustand befand und durch das Unglück alle persönlichen materiellen Gegenstände verloren gingen.

Mit diesem Gebäude verlor Lichtenhagen wiederum ein Wahrzeichen seines Ensembles aus dem Denkmalbereich, ähnlich bedeutend wie der Verlust eines gesamten Bauernhofes am 06.08.1982, auch durch einen Brand.

Das Besondere an diesem 1818 erbauten Bauernhaus auf dem Hof Westendorf war eine heute sehr seltene Sonderform des Typs „Niederdeutsches Hallenhaus“. Es handelte sich hier um ein sogenanntes „Werderhaus“, dass seit der Zeit um 1800 im westlichen Mecklenburg Verbreitung fand. (1)

„Das „Werderhaus“ ist ein um 180° gedrehtes Hallenhaus, bei der die vergrößerte Stube nun nach vorne auf die Straße schaut und deren Wohnbereich nicht mehr über die Diele und den Wirtschaftsteil, sondern über einen eigenen Eingang, dem Flur erreicht wird. Dadurch wird die Toreinfahrt an das rückwärtige Ende des Gebäudes verlegt. Der Vordergiebel ist hier unmittelbar an die Straße gerückt, wodurch der für Hallenhäuser so charakteristische Hofvorplatz fehlt. In seltenen Fällen ist noch ein schmaler Vorgarten vorhanden. (2)

Diese Variante des Haustyps entsprach dem wachsenden Wunsch der Bauern, Wohnen und Wirtschaften in seinem Haus stärker voneinander zu trennen. (1)

Der Hof Westendorf (Gehöft Nr. 8, Hufe VIII)  existiert nachweislich seit 1678. Seit 1859 befindet sich der Hof im Besitz der nachfolgenden Generationen von Hans Beese. Der Familienname wechselt durch Einheirat auf Westendorf. 19. Erbpächter war Willi Westendorf (1920-2005). Zur Hofanlage gehörten ursprünglich 5 Gebäude. Letztes noch verbliebenes Gebäude ist heute die Hallenscheune mit Längsdurchfahrt, Stallabseite und Speichervorbau von 1822.(3)

 

Unzählbar oft war das nicht mehr existierende prächtige Bauernhaus Motiv von Fotografen und Malern, mehrmals zierte es Seiten von Jahreskalendern, war Ziel diverser Führungen mit Gästen. Interessierten bleiben über die Jahre die Führungen im Inneren des Hauses am „Tag des offenen Denkmals“ in Erinnerung.

Über die Internetseite der Kirchgemeinde Lichtenhagen-Dorf ist aktuell ein Spendenaufruf geschaltet. Link mit Kontoverbindung: http://www.kirche-mv.de/2020.11411.0.html#c27345

Auch wir freuen uns über jede Hilfe, die der Familie Fritz zuteil wird, bitte unterstützen auch Sie die Familie Fritz.

 

Nils Ibendorf
Förderverein Denkmale Elmenhorst/Lichtenhagen e.V.

 

 

(1) Quelle: Dr. Baumgarten, Karl „Kleine Bauernhaus-Fibel“, 1992

(2) Quelle: Diplomarbeit Brungs, Melanie; Hochschule Neubrandenburg (urn:nbn:de:gbv:519-thesis2008-0146-2) „Zur Bedeutung Dr. Karl Baumgartens und seines Erbes für die Dorferneuerung und Landschaftsplanung im Raum Rostock“, 2010

(3) Quelle: Tafel „Der Hof Westendorf“ Serie Lichtenhagen; Ibendorf, Nils und Zander, Günther; Förderverein Denkmale Elmenhorst/Lichtenhagen e.V., 2012